Mikrokosmos, Makrokosmos und ihre gegenseitige Spiegelung – das sind die fast alchemistischen Grundthemen des Kunstwollens von Charlotte Weinmann. Im Eigenleben der Natur und in deren künstlerischer Transformation findet sich ein weiterer, elementarer Blickpunkt: die allgegenwärtige Metamorphose.
Das Thema der Verwandlung durchzieht konsequent das Gesamtwerk der Künstlerin. In den frühen Arbeiten liegt der Fokus auf den ›kleinen Dingen‹ und ihrer insistierenden Mächtigkeit. Selbst den Idyllen eignet Suggestion.
Die Welt der Pflanzen wird in späteren Arbeiten vergrößert, augenscheinliche Momentaufnahmen, die zwischen Symbol und einem realistischen Reflex liegen. Ein Stück ewiger Moment. Am Ende ist schließlich das geometrische Ziel der Abstraktion erreicht – bis auf Ziffer und Zahl entkleidet, eröffnen sich die Strukturen. Jetzt ist der Gegenstandsfluss Teil der Zeitform.
Sie selbst ist energetische Bewegung geworden, kurzfristig festgehalten als Chiffre und Signatur. Darin liegt auch die fast asiatische Qualität der vegetabilen Kalligraphien: Statik und Dynamik im Zeichen vereint. Ihre Erscheinungsformen lassen sich in allen ihr zur Verfügung stehenden Techniken nieder.
Im Zusammenspiel mit den architektonischen Räumen gewinnen die Arbeiten einen zusätzlichen Erinnerungwert: sie machen ihre Farbwelten begreiflich , begleiten das Funktionale hinein in den sozialen Sinn und zeugen wiederum von den physiognomischen Kräften der Verwandlung. Jedes Gesicht ein Angesicht . Gras, Schilf und Steine leisten Botschaften, ebenso Blüten und Zweige und Adern, eine Poesie des Chlorophylls . So verkleidet sich das memento mori in eine vital maskierte Lebendigkeit . Aus dem Phänotyp schimmert das Gleichnis…
Dr. Josef Schweikhardt